16 WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE ID | Die Arbeitswelt braucht somit Wirtschaftspsychologen, um den Faktor Mensch mit Kopf, Herz und Bauch sowie Intuition bewusster mit einzubeziehen und dadurch für alle Beteiligten erfolgreicher zu sein. Da Menschen eben keine Maschinen sind, braucht es manch- mal nur kleine menschliche, kommunikative oder organisatorische Interventionen, damit das gesamte System wieder rund läuft. Was macht einen guten Wirtschafts- psychologen in Ihren Augen aus? ET & ID | Aus unserer Sicht ist die Grundlage für ein erfolgreiches Wirken als Wirtschaftspsychologe eine intensive Persönlichkeits- entwicklung. Dazu tragen besonders Fort- und Weiterbildungen bei. Die eigene kritische Selbstreflexion sollte immer wieder angeregt und ein konstruktiver Blick auf die eigenen Schwächen gerichtet werden. Stärken dürfen gezielt eingesetzt, Grenzen geachtet und eine Überforderung vermieden werden. Ein Unternehmen, unabhängig seiner Größe, ist ein System, das stän- dig in Bewegung ist. Denken Sie an ein Spinnennetz: Egal, an wel- chem Faden die Spinne spinnt, das gesamte Netz bewegt sich. Kommt ein Windstoß von außen auf das Netz, bewegt es sich ebenfalls in seiner Gesamtheit. Bricht einer der seidenen Fäden, so hat auch dies Einfluss auf das gesamte, äußerst professionelle Gewebe. Die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmenssystems in seiner Wandlungsfähigkeit, die Berücksichtigung der einzelnen Menschen, die in unterschiedlicher Weise in das System involviert sind, sowie die wertschätzende und gleichermaßen wertfreie Berücksichtigung dieser sind in unseren Augen Kompetenzen, die aus der intensiven Persönlichkeitsentwicklung resultieren und auf deren Grundlage gute Wirtschaftspsychologen ihre fachliche Kompetenz ausüben. Was machen Sie persönlich in Ihrer Arbeit am liebsten? ID | Am liebsten mache ich Einzel-Coachings mit Kunden, die ein The- ma haben, bei dem sie sich Unterstützung wünschen und darum enga- giert mitarbeiten und dann auch recht schnell Erfolge für sich merken, z.B. eine Führungskraft, die sich in ihrer Rolle überfordert fühlt und sich fragt, ob sie überhaupt weiterhin Führungskraft sein möchte. Oder auch Team-Coachings in Teams, die selbst Unterstützung wol- len, weil nicht alle an einem Strang ziehen und sich damit selbst im Wege stehen und merken, dass es so nicht weitergehen kann, wenn alle gesund bleiben sollen. Wenn die eigene Einsicht und Mo- tivation zur Veränderung groß sind, kann in kurzen Interventionen eine Menge erreicht werden, was im Arbeitsalltag den Unterschied macht. Ich arbeite als Wirtschaftspsychologin, um einen wirklichen Mehrwert für die Kunden, Teams und Unternehmen zu bringen. Das ist die Motivation für meine Arbeit. Damit sie hinterher gesünder, zufriedener, klarer und erfolgreicher arbeiten und leben können. ET | Auch ich arbeite am liebsten im Einzel oder mit Kleingruppen. Die freiwillige bzw. eigeninitiierte Aufnahme einer Beratung halte ich für ein sehr wertvolles Gut. Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, wie es ist, in einem Kontext zu arbeiten, in dem das Be- ratungsgespräch verpflichtend ist. Diese Zwangskontexte sind nicht das, worin ich mich gerne bewege. Vielmehr sind es die Menschen, die offen sind für Veränderung, die Lust haben auf Neues, auf an- deres. Diese haben zwar häufig auch einen Leidensdruck, der sie veranlasst eine Beratung aufzusuchen, sie sind aber dennoch intrin- sisch motiviert. Zu erspüren, wie Menschen in Bewegung kommen, neue Perspektiven mit ihnen zu erschaffen und möglichst Raum für etwas Leichtigkeit zu generieren, genau das ist es, was mir an der Arbeit die größte Freude bringt. Was glauben Sie, welcher Kniff kann das Arbeitsleben für uns alle bereichern? ET | Ein achtsamer Blick auf sich selbst als Mensch in der Arbeits- welt. Die Achtsamkeitspraxis ist weit gefächert und wissenschaftlich untermauert. Sie ist es, die es in meinen Augen jedem Menschen er- möglicht, mit kleinsten – besonders zeitsparenden – Kniffen Großes zu bewirken. Sie kann jedem und jeder helfen, sich selbst unter dem „Dauerdruck“ der Arbeitswelt nicht zu vergessen, ein inneres Gleich- gewicht möglichst zu erhalten, ein Ungleichgewicht als solches zu er- kennen und ein neues Gleichgewicht wiederherzustellen. Wie funktioniert Wirtschaftspsychologie online? ID | Gut, besser, als ich gedacht hätte. Vor allem mit mir bekannten Menschen ist es kein Problem, z.B. bei Coachings, Supervisionen oder Team-Coachings. Bei Seminaren mit 14 unbekannten Teilneh- menden muss man schon schauen, dass man gut miteinander warm wird und es sehr interaktiv gestaltet. Letztendlich erzählen die Leute aber genauso viel von sich persönlich und lernen dadurch neue Lösungen für ihre konkreten Beispiele. Da tut der Bildschirm der menschlichen Nähe, die erzeugt wird, keinen Abbruch. Doch es ist für die meisten Teilnehmenden anstrengender als ein Live-Seminar, da hier die Sinne wesentlich abwechslungs- reicher angesprochen werden können.