VWA-Dozentin und Volkswirtin Claudia Raffelhüschen bringt ihre Expertise seit Herbst 2021 als Abgeordnete in den Bundestag ein
Im September 2022 beginnt bei der VWA Freiburg wieder das berufsbegleitende Studium „Betriebswirt*in (VWA)“. Von den erfahrenen Dozentinnen und Dozenten wird eine dann nicht mehr so regelmäßig vor den Studierenden im Hörsaal stehen: Claudia Raffelhüschen ist im September 2022 als Abgeordnete in den Bundestag eingezogen.
Im Interview berichtet sie, was ihre Tätigkeit als Lehrende vom Leben im Bundestag unterscheidet und wo die Parallelen liegen.
Claudia Raffelhüschen, Volkswirtin und langjährige Dozentin bei der VWA Freiburg, ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Neben ihrer Tätigkeit als Abgeordnete übernimmt sie weiterhin Betreuungsfunktionen für die VWA Freiburg. Trotz ihres prall gefüllten Terminkalenders hat sie sich die Zeit genommen, ein paar Fragen zu Ihren Erfahrungen als Bundestagsabgeordnete und dem Thema Weiterbildung zu beantworten.
VWA: Frau Raffelhüschen, wie unterscheidet sich der Arbeitsalltag als Bundestagsabgeordnete von dem einer Dozentin?
CR: Ach, das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Als Abgeordnete muss ICH zunächst mal viel lernen, da ist nicht viel mit Dozieren! Abgeordnete sein ist ja keine einfache Kunst. Da fängt man quasi an jeder Stelle neu an; man ist zwangsläufig Lehrling. Und doch muss man häufig etwas zu mehr oder weniger aktuellen Themen sagen. Das wird von einem erwartet, auch zurecht – und da ist man dann doch wieder quasi als „Dozentin“ gefragt. Das ist jedenfalls häufig die Erwartung. Aber „dozieren“ geht in der Politik nicht: Da muss man zuhören, diskutieren, überzeugen, Leute mitnehmen, auch einstecken, aber auch austeilen, wenn nötig – das ist ganz anders als im Seminarraum. Wobei … heiß her geht es dort auch. Aber dort muss die Auseinandersetzung schon eine wissenschaftliche Fundierung haben. Mit bloßen Meinungen kommt man da nicht durch, darf man nicht durchkommen. Mit Beschimpfungen schon gar nicht. Da ist dann das „diskursive Feld“ einer Abgeordneten schon etwas weiter gesteckt.
VWA: Inwiefern beeinflussen Sie Ihre Erfahrungen und Ihre Arbeit mit den Studierenden bei Ihrer Tätigkeit im Bundestag?
CR: Als Dozentin kann man Weis- oder Wahrheiten nicht bloß verkünden; man muss wissenschaftlich-rational argumentieren. Und man hat es mit interessierten, neugierigen, wissbegierigen Leuten zu tun. Und die möchte ich nicht missen. Und die vermisse ich auch nicht. Denn ich habe hier im Bundestag ebenso viele interessante, anregende, aufregende, inspirierende Kontakte, bei denen es wirklich um ernsthaften Austausch, um Interesse am Anderen geht. Und wo man viel Neues lernen kann. Das ist nicht so weit von dem Austausch entfernt, den man mit Studierenden haben kann. Aber natürlich ist die Bandbreite an Gesprächskontakten, Austauschmöglichkeiten und Kontakten mit unterschiedlichen Charakteren im Bundestag und darum herum noch einmal viel größer.
VWA: Was sind die Themen, mit denen Sie sich in Berlin aktuell beschäftigen? Gibt es hier inhaltliche Überschneidungen zu den Themen, die Sie in Ihren Vorlesungen unterrichten?
CR: Klar, Überschneidungen gibt es viele. Ich bin im Finanzausschuss, im Haushaltsausschuss, im Rechnungsprüfungsausschuss … habe also viel mit Geld, Finanzierung, Einnahmen, Ausgaben, nachhaltigem Haushalten etc. zu tun. Gut, dass ich das nicht nur gelernt, sondern auch gelehrt habe!
VWA: Würden Sie Ihre Studierenden dazu ermutigen, in die Politik zu gehen? Wenn ja, was gefällt Ihnen daran?
CR: Politik ist wie Fußball und nichts für jeden. Ermutigen kann man nur den, der sich dafür interessiert und auch erkennen lässt, dass er dazu etwas beitragen kann. Sicher: Wer dieses Interesse hat, dem kann man nur raten, sich zu engagieren, eigene Interessen weiterzuentwickeln, sich einzubringen. Es gibt wenig, was so vielfältig sein kann wie Politik. Aber klar muss sein: Das macht man nicht nur und ausschließlich für sich und die eigene Karriere. In der Politik arbeitet man für die polis also auch für andere, fürs Gemeinwesen. Und wer das nicht will oder kann, der soll – und da bin ich deutlich – die Finger von Politik lassen.
VWA: Gibt es ein Thema, in dem Sie sich selbst gerne weiterbilden würden oder es vielleicht sogar gerade tun? Hat man als Politiker*in dafür überhaupt Zeit?
CR: Als neue Abgeordnete bilde ich mich jeden Tag weiter. Es ist so unglaublich viel, was neu ist, was man nicht kann und erst noch lernen muss, ohne viel Zeit, ohne Schonfrist, ohne … ich hätte fast gesagt: Gnade. Also „Weiterbildung“ ist mein tägliches Brot, meine „daily experience“ – aber das sage ich nicht mit Bedauern. Sicher ist das eine sehr besondere „(Weiter-)Bildungserfahrung“, die ich gerade durchlaufe. Aber – und das meine ich ernst – das ist in anderen Bereichen nicht anders. Das wird für die meisten zur Normalität werden … müssen. Aber das muss ich an der VWA nicht extra betonen: Wer hier ist, hat das schon verstanden und erfahren. Und ich kann nur jeden dazu ermutigen, im Rahmen seiner Möglichkeiten sich auf diese Erfahrung einzulassen.
VWA: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!
CR: Gerne!