Zwei Perspektiven – Was bedeutet KI für Lernende und Lehrende?
Künstliche Intelligenz durchdringt unsere Volkswirtschaft in allen Branchen und weckt Erwartungen. Nach einer repräsentativen Umfrage sind satte 75 Prozent der Arbeitnehmer*innen zuversichtlich und vertrauen darauf, dass kreative KI-Anwendungen wie Chat GPT sie im Arbeitsalltag produktiver machen werden (IW Consult, 2023). Aber was heißt „produktiver machen“ genau? Jeder Arbeitsalltag ist schließlich anders.
Der Beitrag, den Dr. Christoph Metzler für unser Magazin input verfasst hat, betrachtet die mittelfristigen Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den Weiterbildungsalltag und berücksichtigt sowohl die Perspektive von Lehrenden als auch Lehrenden.
Das Wechselspiel von Lernenden und Lehrenden
Kann KI als Partner fungieren?
Lernmaterialien mit Chat GPT erstellen?
Bereits heute kann Chat GPT bei der Erstellung von Lernmaterial unterstützend wirken. Es ist möglich, Erklärungen innerhalb einzelner Themengebiete passend zu gestalten und entsprechende Beispiele zu integrieren. So könnte zum Beispiel eine Weiterbildnerin in einem Kurs zu „Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz“ Teilnehmende mit gezielten Beispielen unterstützen das Themenfeld auf ihren Arbeitsplatz herunterzubrechen. Viele Teilnehmende kommen dabei aus der Montage eines örtlichen Automobilkonzerns, wozu die Weiterbildnerin aufgrund ihrer persönlichen beruflichen Erfahrungen keinen Bezug hat. Mit Chat GPT kann sie über die Anweisung „Erkläre mir das Thema ‚Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz aus Sicht eines Montagearbeiters in der Automobilindustrie’ “ dennoch erste Ansätze für eine passgenaue Erklärung gewinnen.
Die Rolle des Lernenden in Zeiten von Chat GPT
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern künstliche Intelligenz die Rolle der Lernenden verändert und für diese ein wertvoller Partner sein kann. Alle menschlichen Grenzen der Lehrenden spiegeln sich auf Seite der Lernenden wider. Sie sind Emotionen, ihren Erfahrungen und Grenzen in ihrer Wahrnehmung unterworfen. So könnte eine Teilnehmerin mit Migrationshintergrund sich schämen, dass sie bei Fachbegriff en in deutscher Sprache noch Lücken hat, was erst im Laufe der Weiterbildung auffällt. Oder ein Teilnehmer kommt erst gar nicht zu den ersten Veranstaltungen, weil er das „sowieso alles weiß“ – mit nachher bösen Folgen in der Abschlussprüfung.
Chatbots können bei der Vorbereitung auf Weiterbildungskurse Lernenden wertvolle Dienste leisten. Beim Durchgehen des Kursplanes und eventuellen Unklarheiten bieten sie eine schnelle Recherchemöglichkeit. So könnte eine Teilnehmende bei einem Kurs zum Thema „Visual Basic Analysis in Excel für Anfänger“, Chat GPT nach Beispielen für „einfache VBA Skripte“ fragen und erhält dabei neben einem Beispiel auch eine kurze Erklärung. Mit diesem Vorwissen können Teilnehmende schneller nachvollziehen, wo eigene Lücken oder Verständnisprobleme bei einem Thema auftreten könnten. Sowohl Chat GPT aber auch verschiedene andere, auf künstlicher Intelligenz basierende Anwendungen, wie DeepL oder Google Translate, bieten die Möglichkeiten, schriftliche Texte in Echtzeit und mit hoher Genauigkeit in zahlreiche Sprachen zu übersetzen. Mit diesen Optionen können die Eingangshürden für Menschen mit Migrationshintergrund in Weiterbildungskursen deutlich sinken.
Darüber hinaus bietet KI zahlreiche Möglichkeiten, Lernende bei der Erstellung von Präsentationen und Texten zu unterstützen – von der Zusammenfassung der wichtigsten Punkte bis hin zum Entwurf ganzer Texte samt passenden individuell gestalteten Bildern. Während die Möglichkeiten hier groß sind, ist Vorsicht geboten bei der Neuerstellung von allem, was fachlicher Korrektheit bedarf. So zeigt eine Studie, dass Chat GPT gegenwärtig nicht nur in verschiedenen Gebieten, wie z. B. bei mathematischen Aufgaben oder der begründeten Auswahl zwischen zwei verschiedenen Optionen, fehleranfällig ist. Vielmehr wird durch das Feedback der Nutzer*innen die Suchleistung von Chat GPT über die Zeit mitunter verschlechtert (Chen, Zaharia & Zou, 2023). Daher können erste Entwürfe sicherlich gut mit Chatbots erstellt werden. Chatbots ersetzen aber nicht die gründliche eigene Recherche und das Überprüfen von Fakten und Zusammenhängen.
Fazit und Ausblick
Beide Perspektiven können durch den vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz vielfach profitieren. Lehrprozesse können passgenauer werden, schneller in der Vorbereitung und potenziell gerechter bei Rückmeldungen. Lernprozesse hingegen können einfacher zugänglich sein und von der Inspiration durch KI profitieren.
Beides setzt allerdings ein kompetentes Vorgehen mit den aktuell verfügbaren KI-Anwendungen voraus. Es erscheint wahrscheinlich, dass sowohl das Ausmaß verfügbarer KI-Anwendungen als auch die Auswahl aktiver Anbieter im Bildungsbereich in den nächsten Jahren steigt. Die fortschreitende Integration von KI-Funktionen in verbreiteter Software, wie den Microsoft-Office-Produkten oder Adobe-Anwendungen in Bild- und Videobearbeitung, verändern zudem bestehende Nutzungsgewohnheiten. Daher ist es wahrscheinlich, dass wir uns alle wiederholt weiterbilden müssen, um auch in Zukunft mit Gewinn an Weiterbildungen teilzunehmen oder diese als Dozierende optimal zu gestalten. Die Bereitschaft und Zeit – sowie in einigen Fällen auch Geld – für diese Weiterbildungen aufzubringen, könnte sich als Schlüsselqualifikation für die nächsten Jahre erweisen.
Der Autor: Dr. Christoph Andre Metzler ist Senior Economist
für Ausbildung und Fachkräftesicherung am Institut der
deutschen Wirtschaft.
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