Vier Tage arbeiten, aber sieben Tage rund um die Uhr shoppen: So lässt sich kaum gegen den Fachkräftemangel ankommen, mögen sich ältere Generationen sagen. Selbst wenn dies in gewissem Rahmen auch stimmt, hat die Benennung von Problemen nicht immer zu deren Lösung beigetragen. Möglicherweise verschärft sich der Fachkräftemangel an manchen Stellen im Wirtschaftssystem sogar. Aber woher kommt er überhaupt?
Im Beitrag, den Prof. Dr. Marco Wölfle für unser Magazin input verfasst hat, wirft er einen Blick auf den Arbeitsmarkt und die Generationen Y und Z.
Fachkräftemangel – eine Situationsbestimmung
eine Tendenz für größere Städte haben. Dennoch suchen nicht nur Arbeitgeber in ländlichen Regionen Fachkräfte. In allen genannten Regionen ist der Bedarf an Fachkräften gestiegen und nicht trotz, sondern vielleicht sogar gerade aufgrund von Digitalisierung. Sieht man einmal nicht auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit sondern des Beschäftigungsniveaus, finden sich in den letzten Jahren Rekordzahlen an besetzten Arbeitsstellen, die nicht allein der bisher guten Konjunkturlage zuzuschreiben sind. Denn insgesamt hat die Wirtschaft an Komplexität gewonnen. Hierfür sind 4 wesentliche Treiber zu identifizieren.
Aufwandskurve im Personalbedarf
Was heißt das für den Arbeitsmarkt?
Kurz gesagt steigt der Bedarf an qualifizierter, differenzierter Arbeit merkbar an. Das gilt für alle Generationen im Arbeitsleben, wird aber bei jüngeren Generationen deutlicher sichtbar. Generation Z befindet sich am Ende der Ausbildung und manche Personen aus dieser Generation machen auch die ersten beruflichen Erfahrungen. Es war schon immer üblich, dass der Wechsel in der ersten Karrierephase häufiger ist. Daher erscheint die Generation teilweise illoyal. Und da der Arbeitsmarkt sich verändert hat, kursieren YouTube-Videos, die stark überzeichnete Vorstellungsgespräche nachstellen, in denen sich der Vorstand eines Großunternehmens sehr stark „ins Zeug legen“ muss, um eine Person aus dieser Generation beim Vorstellungsgespräch für die Firma zu gewinnen. Früher, als „alles besser war“ und auf eine Stellenausschreibung etliche Bewerbungen eingingen, war es umgekehrt. Dies ist die Denkwelt von Generation X und älter.
Bisher etablierte Modelle des Arbeitsmarktes funktionieren nicht mehr und dies hat Auswirkungen auf alle benachbarten Elemente im
Personallebenszyklus, von der Personalbedarfsermittlung über die Weiterqualifikation bis zum Ausstieg aus dem Unternehmen. Und eines
sei gleich gesagt: Es wird nicht reichen, der Generation Z Karrieremöglichkeiten, Weiterqualifikation und gutes Gehalt anzubieten. Denn sie denken hierüber anders als ältere Generationen erwarten. Karrieremöglichkeiten sind als Asset wichtig für Menschen, die sich Karriere wünschen. Für manche ist Gehalt ein Differenzierungsmerkmal, für andere eine Selbstverständlichkeit. Und auch Weiterqualifikation kommt aus einer Welt des Transaktionsdenkens. Generation Z unterscheidet sich hier am deutlichsten. Denn sie setzen sich gewisse Mindestanforderungen und nutzen darüber hinausgehende Eigenschaften des Arbeitgebers zur Entscheidung.
Generation Z gewinnen
Die letztgenannten Punkte spiegeln einen Trend, der viele Arbeitgeber nichts ans Ziel führen wird. Denn bei aufsteigenden Anforderungen lautet eine mögliche Antwort: Überbietungswettbewerb. Aber diesen Wettbewerb kann nicht jeder gewinnen und wenn Marketing auf Personalmarketing übertragen wird, fällt auf, dass es seltener darum geht, viel Aufmerksamkeit zu erhoffen, sondern die richtige Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Differenzierung gewinnt auf Produktmärkten durch Alleinstellung. Das ist auf dem Markt für Personal kaum anders. Hier sind aber nicht alle Unternehmen so geübt, sich zu überlegen, warum sie der bessere Arbeitgeber sind. Und eigentlich stimmt dieser Satz nicht. Sie müssen nicht der bessere Arbeitgeber für alle sein, sondern der bessere Arbeitgeber für eine spezielle Zielgruppe.
Aus der Personalführung lassen sich viele Ansätze nutzen. Denn insgesamt gilt auch, dass weniger Personal gewonnen werden muss, wenn die richtigen Mitarbeitenden bleiben. Damit Menschen in einer sozialen Gruppe bleiben, müssen aber wenigstens zwei der folgenden Bedingungen erfüllt sein:
Zufriedenheit bzw. Identifikation mit …
• Vorgesetzen / Führungspersonen
• Team
• Tätigkeit
Bewerbungen gehen bei guten Arbeitgebern nicht immer aktiv durch Ausschreibung ein. Gute Bedingungen zu den genannten Punkten sprechen sich herum und können passive Bewerbungen fördern.
Führungsmodelle mit Generation Z
Der Umgang miteinander kann neben den genannten Aspekten gut sein, um für sich als Arbeitgeber Werbung zu machen. Abhängig von Branche und Tätigkeit sollten Unternehmen überlegen, obsie Mitarbeitende am kleinsten gemeinsamen Nenner abholen und einen generationenübergreifenden Führungsstil pflegen. Dann müssen sie sich aber bewusst machen, dass man sich nur auf wenige, sehr allgemeine Werte und Normen zu den oben genannten drei Zufriedenheitsfaktoren einigen kann. Ein weitaus individuelleres Eingehen auf jeden Einzelnen klingt nicht nur anstrengender, führt aber möglicherweise zum Erfolg. Hierbei sollte aber nicht vergessen werden, dass sich Menschen auch gerne vergleichen. Denn zu große Unterschiede zwischen dem Umgang miteinander oder den Bedingungen, zu denen die Mitarbeitenden beschäftigt sind, führen ggf. zu Neid.
Übliche Modelle sind zum Beispiel der Golden Circle. Übliche Führung und Organisation baut auf der Hierarchie auf. Und so kommt auch der Golden Circle nicht ohne die Frage nach der richtigen Struktur aus. Diese ist aber nachgelegt und untergeordnet. Organisationen, die dieses Modell anwenden, um ihre Mitarbeitenden zu binden, fragen immer zuerst nach Wert- und Sinnfragen. Die Reihenfolge lautet:
1) Warum und wofür sind die Ziele des Unternehmen wichtig?
2) Wie soll das Ziel erreicht werden?
3) Was muss getan werden, um das Ziel zu erreichen?
Alle diese Fragen können von unterschiedlichsten Firmen unterschiedlich beantwortet werden. Natürlich wird ein Waffenhersteller bei der
ersten Frage andere mitarbeitendengerechte Antworten finden beziehungsweise finden müssen als ein Kindergarten. Aber es lohnt sich, in
den Gedanken einzusteigen
Social Media und E-Recruiting sind keine Zauberformel
Hat ein Unternehmen aber gute interne Prozesse und ein vorbildliches Führungssystem, sollte trotzdem nicht vergessen werden, was im Marketing lange bekannt ist: Verschiedene Werbemedien wirken unterschiedlich. Wirbt man als Arbeitgeber um junge, neue Mitarbeitende, glaubt man auf den ersten Blick an Social Media, weil die Zielgruppe hier viel Freizeit verbringt. Das stimmt auch. Aber die relevanten Entscheidungen – so auch über ihre Zukunft in der Arbeitswelt – treffen sie über andere Medien. Betrachtet man Jugendliche ganz genau, fällt auf, dass wesentliche Punkte und viel mehr Kommunikation über direkte Messenger wie „WhatsApp“ läuft. Jene Kommunikation ist für sie glaubwürdig. Und so zeigen auch aktuelle Medienwirksamkeitsstudien, dass Empfehlungen von Bekannten, Freunden oder Familie über solche Kanäle zu 78 % als glaubwürdig oder sehr glaubwürdig wahrgenommen werden. Online-Werbung erreicht nicht einmal die Hälfte diese Quote.
Bei der Gewinnung von Mitarbeitenden gilt also genau dasselbe wie im Marketing:
Nicht viel hilft viel, sondern die richtigen Maßnahmen führen zum Erfolg bei der Zielgruppe.
Der Autor: Prof. Dr. Marco Wölfle ist Professor für Finanz- und Immobilienwirtschaft, Wissenschaftlicher Leiter des CRES – Center for Real Estate Studies und der VWA Business School.
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▶️ Generation Y bis Z und ihr Verhalten im Arbeitsmarkt